Berlin – Trotz großer Wohnungsnot in vielen Hochschulstädten haben die meisten Studierenden auch im Wintersemester 2015/2016 ihre Präferenzen für den Studienort nicht angepasst. Dies geht aus einer Analyse der am heutigen Mittwoch vom Statistischen Bundesamt (Destatis) veröffentlichten Zahlen durch die Abteilung Research & Analyse der GBI AG hervor.
Die Statstik-Behörde hatte ermittelt, dass im laufenden Wintersemester 2015/2016 nach vorläufigen Zahlen 2.759.267 Studentinnen und Studenten an deutschen Hochschulen eingeschrieben waren. Gegenüber dem Wintersemester 2014/2015 erhöhte sich die Zahl damit nach diesen ersten Ergebnissen um rund 60.000, also um weitere 2,2 Prozent. Ein neuer Allzeit-Rekordwert.
„Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen eindrucksvoll, dass die jungen Menschen sich bei der Wahl des Studienortes zum Wintersemester 2015/2016 nicht von schwierigen Bedingungen am Wohnungsmarkt abschrecken lassen“, interpretiert Dr. Stefan Brauckmann. Der Leiter der Abteilung Research & Analyse der GBI AG weiter: „Mit der Wohnsituation befasst sich in der Regel erst, wer sich seinen Studienplatz gesichert hat.
Notfalls werden dann Kompromisse bei Größe und Ausstattung gemacht.“ Deutlich wird dies an der Entwicklung in Bundesländern mit einem überdurchschnittlichen Preisniveau. Dr. Brauckmann: „Die Perspektiven in der Stadt nach dem Studium eine attraktiven Job zu finden, internationale Vernetzung oder die Nähe zum Herkunftsort, sind für viele Studierende wichtigere Faktoren als die Lebenshaltungskosten und das Mietniveau.“
Deutlich zu beobachten ist dies beispielsweise in Bayern als auch in den Stadtstaaten Hamburg und Berlin. In Hamburg etwa kostet ein WG-Zimmer 420 Euro, im Bundesländer-Vergleich der höchste und gegenüber dem Vorjahr um 10 Euro gestiegene Wert. Trotzdem stieg die Zahl der Studenten zum neuen Semester um 2,8 Prozent. In Bayern liegen die Zimmer-Preise in Wohngemeinschaften bei 405 Euro, in München sogar bei 510 Euro. Trotzdem hat das Statistische Bundesamt auch im Freistaat laut der neuen Studierendenzahlen eine Steigerung um 2,6 Prozent festgestellt.
In den ostdeutschen Flächenstaaten hingegen, wo die Zimmer-Preise im Städte-Schnitt maximal 260 Euro betragen – nur Potsdam mit rund 310 Euro ist ein kleiner Ausreißer – sinken trotz dieses Standortvorteils die Studierendenzahlen weiter. Am stärksten in Thüringen. „Die Schere bei der Beliebtheit der Universitäten geht weiter auseinander“, so Dr. Brauckmann. Das wird bestärkt durch den längerfristigen Vergleich: So ist in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Studenten in Nordrhein-Westfalen (274.553), Bayern (119.806) und Baden-Württemberg (115.022) deutlich gestiegen. In Ost-Ländern wie Thüringen (457), Sachsen-Anhalt (3.189) oder Mecklenburg-Vorpommern (3.737) sind die Steigerungen im Zehn-Jahresvergleich hingegen nur marginal. Prozentual betrachtet sind die Studierendenzahlen in Nordrhein-Westfalen (57,6%), Saarland (54,8%) und Hessen (49,3%) am stärksten gestiegen.
„Aufrufe von Politikern, angesichts dieser unterschiedlichen Entwicklung auf weniger überlaufene Hochschulstädte auszuweichen, verhallen offensichtlich ohne sichtbaren Effekt.“ Statt solch unnützer Appelle sollten die Verantwortlichen vor allem in den Städten lieber ihre Vorschriften entrümpeln, die eine Verbesserung der Wohnsituation an begehrten Standorten blockieren.
„In viel zu vielen Hochschulstädten wird zu wenig getan, dem Mangel entgegen zu wirken“, konstatiert Dr. Brauckmann: „So ist es aufgrund der Bauauflagen günstiger, weiter große Wohnungen zu bauen statt Apartments für Studierende. Hier ist ein Umdenken zwingend notwendig. Manche Städte haben schon damit begonnen, ihre Bauplanung entsprechend anzupassen, zum Beispiel durch Aussetzung der Stellplatzsatzung“
Wohnungsnot erschwert notwendige Flexibilität der Studenten
Die GBI AG hatte im vergangenen Monat zur Immobilienmesse Expo Real bereits eine städtebezogene Untersuchung vorgestellt. Am schwierigsten ist – laut einer Untersuchung aller 87 Hochschulstandorte mit mehr als 5000 Studierenden – die Suche nach der passenden Wohnung in München, vor Frankfurt am Main, Hamburg, Stuttgart und Köln. Verschlechtert hat sich die Situation im Vergleich zum Vorjahr vor allem in renommierten Universitätsstädten wie Freiburg, Tübingen, Aachen, Gießen oder Marburg. Jeweils 23 Faktoren von den Miet- und WG-Preisen über Leerstands-Quoten, die Entwicklung der Studierenden- und Erstsemester-Zahlen, die Altersstruktur der Bewohner bis hin zur Attraktivität der Stadt bei in- und ausländischen Studierenden wurden geprüft und gewichtet.
Ergebnis: „Die Zahl der Standorte mit angespanntem studentischen Wohnungsmarkt ist von 32 auf 39 gestiegen, mittlerweile erkennen wir bei 19 dieser Städte akute Schwierigkeiten bei der ausreichenden Versorgung der Studierenden mit passendem Wohnraum“, so Dr. Brauckmann. In den Vorjahren gehörten nur jeweils 13 Hochschulstandorte zu dieser Kategorie. Nach der aktuellen Studie ist nun beispielsweise in Aachen, Bonn und Düsseldorf zu Semesterbeginn ebenfalls ein deutlicher Mangel an Unterkünften, für die das meist knappe Budget der Studenten ausreicht, zu erwarten.
Dr. Brauckmann: „Gerade weil im Bachelor- und Master-System von Studierenden eine immer größere Orts-Flexibilität verlangt wird, ist die Situation problematisch.“
Eindeutig sind die Präferenzen laut der GBI-Analyse nicht nur bezogen auf die Wahl des Hochschul-Standorts, sondern auch bei der Entscheidung für eine konkrete Wohnlage innerhalb der Stadt. Trotz ihres begrenzten Budgets ziehen sie deshalb nicht automatisch in günstige Stadt-Quartiere. Für eine entsprechende Lage mit gutem Angebot an Kneipen, Kultur und anderen zielgruppenspezifischen Angeboten sind sie bereit, bei Ausstattungsmerkmalen oder Größe der Wohnung spürbare Kompromisse einzugehen.
Dr. Brauckmann: „Schon wenige hundert Meter Lage-Unterschied lassen die Studenten zu anderen Entscheidungen kommen.“
Quelle: ots